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Was macht Stress mit meinem Herz?

Wir haben ihn fast alle, und wir alle wollen besser mit ihm umgehen: Stress. Dabei ist er einer der größten Risikofaktoren für einen Herzinfarkt und eine Koronare Herzerkrankung! Verstehen Sie mit diesem Artikel, was Stress mit Ihrem Herz macht und was das für Sie bedeutet.

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Auf einen Blick

Stress ist an sich nichts Schlechtes und kann uns sogar helfen! Man unterscheidet zwischen positivem und negativem, akutem und chronischem Stress. Vor allem negativer, chronischer Stress belastet unser Herz.

Unsere Herzgesundheit und unser Stresslevel sind untrennbar verbunden. Zu viel Stress kann unser Herz belasten. Und auch andersrum kann ein krankes Herz negativen Stress in uns auslösen.

Es ist bewiesen, dass effektive Bewältigungsstrategien (Coping) uns helfen, den Risikofaktor Stress unter Kontrolle zu haben und unsere Herzgesundheit positiv zu beeinflussen.

Was ist Stress eigentlich?

„Bloß kein Stress!“ – das hören wir immer mal wieder. In unserer Gesellschaft gilt Stress als etwas Schlechtes. Zu viele Termine bedeuten Stress, gesundheitliche Probleme bedeuten Stress, Ärger mit dem Partner bedeutet Stress. Vielleicht geht es Ihnen ja auch so. Was daraus folgt: Wir versuchen, den Stress zu vermeiden und das stresst uns noch mehr. 

Eine anerkannte Definition von Stress besagt, dass wir von etwas herausgefordert werden und unser Körper darauf reagiert. Diese Herausforderung kann von uns selbst oder von außen kommen. Ganz wichtig: Diese Herausforderung muss nichts Schlechtes sein. Unser Gehirn signalisiert uns erstmal nur „Hey, streng dich an!“.

Stress ist nicht gleich Stress

In der Stressforschung werden verschiedene Stressarten unterschieden. 

  • Positiver Stress, auch „Eustress“ genannt („Eu“ bedeutet im Griechischen „gut“), spornt Sie an, gibt Ihnen Kraft und erhöht Ihre Leistungsfähigkeit. Sie haben Lust, diesen Stress in Kauf zu nehmen. Beispiel: Sie können spontan nächstes Wochenende mit Freunden an den Gardasee fahren. Das bedeutet aber noch einiges an Last Minute-Planung.

  • Negativer Stress, auch „Disstress“ genannt („Dis“ bedeutet im Griechischen „schlecht“) bereitet Ihnen Sorgen und lässt Sie denken, dass Sie keine Kontrolle über die Situation haben. Beispiel: Ihr bester Freund ist schwer erkrankt und Sie machen sich große Sorgen um ihn. Aber auch um sich selbst, Sie konnten schließlich immer auf ihn zählen. Wer bleibt Ihnen, sollte er nicht mehr da sein? Sie versuchen ihn so gut wie möglich zu unterstützen, wissen aber nicht, wie lange Sie das noch durchhalten können. 

  • Akuter Stress ist von kurzer Dauer und befähigt uns in kürzester Zeit zu Höchstleistungen, indem unsere Sinne geschärft und unsere Muskeln aktiviert werden –  Wissenschaftler sprechen auch von „Erregung“. Es ist eine uralte, überlebenswichtige Reaktion des Körpers, damit wir wichtige Situationen erfolgreich meistern können. Akuter Stress kann dabei positiv, aber auch negativ sein. Beispiel: Der eine Termin fällt aus und Sie schaffen es ganz spontan doch noch zum Stammtisch – wenn Sie einen Zahn zulegen und die frühere Bahn erwischen.

  • Chronischer Stress ist Stress, der über eine längere Zeitspanne hinweg besteht. Dabei kann es sich um positiven und negativen Stress handeln. Das Tückische an dieser Stressart: unser Körper ist nicht darauf ausgelegt. Chronischer Stress senkt unsere Leistungsfähigkeit, Gesundheit und unsere Lebensqualität. Beispiel: Sie pflegen schon seit mehreren Monaten Ihre Eltern und wissen nicht, wie Sie das noch weiter stemmen können. Am Anfang dachten Sie, dass Sie es schaffen können, aber es ist einfach zu viel.

Ob eine äußere Einwirkung Sie positiv oder negativ stresst, hängt von verschiedenen Faktoren ab (z.B. ähnlichen Situationen, die Sie bereits erlebt haben). Es steht und fällt mit Ihrer persönlichen Bewertung.⁴ Das erklärt auch, warum zwei Menschen die gleiche Situation gänzlich unterschiedlich erleben können. Für den einen ist die Einladung für die Rede zum 60. Geburtstag eine tolle Gelegenheit, die alten Geschichten aufleben zu lassen. Für den anderen ist es der blanke Horror.

Was passiert bei Stress im Körper?

Stressige Situationen lösen in unserem Körper unterschiedliche Prozesse aus. Bewertet unser Gehirn etwas als herausfordernd, also „stressig“, wird die sogenannte „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“ ausgelöst. Das heißt, unser Körper bereitet sich vor, entweder vor einer Gefahr zu fliehen, oder sich ihr im Kampf zu stellen. Dafür werden Stresshormone wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol ausgeschüttet. Der Körper erhöht die Herzfrequenz, Blutdruck, Blutzuckerspiegel sowie die Atemfrequenz und verringert Verdauungstätigkeiten. Das alles hat uns früher geholfen, unseren Körper zu nutzen, um vor einem wilden Tier zu fliehen oder uns im Kampf gegen einen anderen Stamm zu behaupten. 

Diese evolutionäre Reaktion ist seit Jahrtausenden in uns verankert und zeigt sich noch heute, wenn wir Stress empfinden. Die heutigen stressauslösenden Situationen (z.B. Ärger aus der Arbeit) haben aber meistens nicht mehr viel mit dem Stress zu tun, den unsere Vorfahren hatten. Oder rennen Sie etwa vor Ihrem Chef weg oder prügeln sich mit ihm im Büroflur?

Wann schadet Stress meinem Herz?

Bauen wir die ausgeschütteten Stresshormone nicht ab halten wir die „Alarmbereitschaft“ des Körpers aufrecht. Das wirkt sich direkt negativ auf unsere Organe aus. Der erhöhte Blutzuckerspiegel fördert das Risiko für Diabetes, der Bluthochdruck fördert das Risiko eines Herzinfarkts sowie von Herzrhythmusstörungen und unser Immunsystem wird geschwächt, was Entzündungen fördert.

Kurzum: Unser Körper wird überfordert und das bezahlen wir mit einer verringerten Gesundheit.

Welche besondere Rolle spielt Stress für Herzpatienten?

Stress und Ihr Herz, sie sind untrennbar miteinander verbunden! Auf der einen Seite kann zu viel und zu starker Stress Ihr Herz belasten und schwächen. Womöglich hinterlässt jahrelanger, chronischer Stress auf der Arbeit seine Spuren. Bei einigen Menschen kann er zu Herzproblemen wie der koronaren Herzerkrankung oder Herzrhythmusstörungen führen. 

Auf der anderen Seite kann eine bestehende Herzschwäche oder die Angst vor einem (weiteren) Herzinfarkt als stark negativer Stress wahrgenommen werden. Das kann zu Depressionen und Angstzuständen führen, die unseren Körper unter weiteren Stress setzen. Stress und die Gesundheit Ihres Herzens stehen also in einer Wechselwirkung, wie in der folgenden Abbildung dargestellt.

Studien-Check: Wie Stress bei Herzerkrankungen wirkt

Vor allem negativer Stress, der chronisch, also über einen längeren Zeitpunkt hinweg besteht, kann dem Herz schaden. Das zeigt sich ganz eindrücklich an mehreren Herzerkrankungen.

  • Eine großangelegte klinische Studie konnte zeigen, dass Betroffene der koronaren Herzerkrankung, die hohem Stress ausgesetzt sind, ein signifikant höheres Risiko haben, an Herzversagen oder einem Herzinfarkt zu sterben.

  • Stress kann sich in Herzstolpern oder Herzrasen äußern. Beim Herzstolpern hat man das Gefühl, das Herz setzt kurz aus und schlägt nach einer kurzen Pause schneller weiter. Für Herzpatienten ist es besonders schwierig einzuschätzen, ob es „nur“ der Stress ist, der das Herz unregelmäßig schlagen lässt, oder ob ein mögliches Vorhofflimmern dafür verantwortlich sein könnte.

  • Das sogenannte Broken-Heart-Syndrom (auch „Stress-Kardiomyopathie“ genannt) löst ähnliche Symptome wie ein Herzinfarkt aus. Es kann bei akutem, extrem negativen Stress auftreten. Ein möglicher Grund, wieso Ehepaare, die jahrelang verheiratet waren, kurz hintereinander sterben – der zweite folgt dem ersten durch ein gebrochenes Herz. 

  • Gut zu wissen: Forscher untersuchen mittlerweile vermehrt das Happy-Heart-Syndrom. Auch hier löst ein besonders starkes Ereignis Stress aus, jedoch anders als beim Broken-Heart-Syndrom, handelt es sich um ein positives Ereignis (z.B. wenn man erfährt, dass man einen Enkel bekommt).

Deswegen gilt: Ein gesunder Umgang mit Stress hilft Ihnen, Ihre Herzgesundheit besser einschätzen zu können. Je besser Sie wissen, was Sie wie stresst, desto besser können Sie Ihr Stresslevel regulieren.

Wie gehe ich effektiv mit Stress um?

Klingt alles ganz schön angsteinflößend? Verständlich! Und doch müssen Sie jetzt nicht komplett in Watte gepackt durchs Leben gehen, um bloß keinen Stress zu empfinden. Im Gegenteil: Unser Körper braucht Stress, aber eben nicht zu viel. Vor allem nicht zu viel von dem schlechten Stress. Und seien wir mal ehrlich: Stress wird sich nie ganz vermeiden lassen. Deswegen ist es vor allem für Herzpatienten wichtig, einen gesunden Umgang mit Stress zu entwickeln. Und der sieht für jeden ein bisschen anders aus. 

Der Umgang mit Stress wird viel erforscht. Besonderes Interesse liegt darauf, herauszufinden, wieso bestimmte Menschen besser mit Stress klarkommen. Was machen diese scheinbaren Übermenschen anders, die sich von Stress nicht aus der Bahn werfen lassen? Die Antwort: Sie haben effektive, sogenannte Bewältigungsstrategien (engl., Coping) gefunden. Die richtigen Bewältigungsstrategien helfen uns, dem Stress die Stirn zu bieten.

Möchten Sie mehr über Bewältigungsstrategien erfahren, die besonders für Herzpatienten geeignet sind? Dann schauen Sie doch mal im Artikel „Wie gehe ich am besten mit Stress um?“ vorbei.

Bewusst machen ist ein wichtiger Schritt zur Besserung

Oft merken wir gar nicht, dass wir gestresst sind. Dabei ist es vor allem das Bewusstmachen, das uns einen Gang zurückschalten lässt. So fällt es uns leichter, Lösungen zu entwickeln. 

Ein gutes Ritual, um das eigene Stresslevel regelmäßig zu überprüfen, ist ein 2 Minuten-Check am Abend. Nehmen Sie sich dafür 2 Minuten und fragen Sie sich gezielt:

  • Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (viel): Wie gestresst bin ich heute?
  • Was hat mich heute gestresst?
  • Wie habe ich den Stress körperlich wahrgenommen? 

Probieren Sie es doch einfach mal aus und sehen Sie, wie sich dieses bewusste Ritual auf Ihr Stresslevel auswirkt. 

Möchten Sie mehr darüber erfahren, wie Sie als Herzpatient besser mit Stress umgehen können und Ihre eigenen Coping-Strategien (engl., Bewältigungsstrategien) entwickeln? Dann schauen Sie doch im Artikel „Wie gehe ich am besten mit Stress um?“ vorbei.

Extra-Tipp: Erholung mit Vantis

Wenden Sie sich an Ihren behandelnden Arzt, wenn Sie das Gefühl haben, Ihren Alltag nicht mehr normal bewältigen zu können. Mit Ihrem Arzt können Sie abklären, in welcher Form therapeutische Unterstützung (z.B. in Form einer Psychotherapie) für Sie geeignet ist.

Bestimmte Stressbewältigungsmethoden (z.B. ausgeprägte Reflexion) können kurzfristig zu mehr Stress oder Belastung führen. Sollten Sie sich zu stark durch die angewandten Methoden belastet fühlen, brechen Sie die Methode ab und wenden sich für das weitere Vorgehen an Ihren Arzt. 

  1. Knuuti, J.; Wijns, W.; Saraste, A.; Capodanno, D.; Barbato, E.; Funck-Brentano, C.; Prescott, E.; Storey, R. F.; Deaton, C.; Cuisset, T.; Agewall, S.; Dickstein, K.; Edvardsen, T.; Escaned, J.; Gersh, B. J.; Svitil, P.; Gilard, M.; Hasdai, D.; Hatala, R.; Mahfoud, F.; Masip, J.; Muneretto, C.; Valgimigli, M.; Achenbach, S.; Bax, J. J.; ESC Scientific Document Group. 2019 ESC Guidelines for the Diagnosis and Management of Chronic Coronary Syndromes. Eur. Heart J. 2020, 41 (3), 407–477. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehz425.

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